V-Modelle bieten Anreiz für hohe Qualität im Straßenbau
Die bayerische Staatsbauverwaltung realisiert gerade für den Bund ein sehr großes Autobahnprojekt auf der A3 zwischen dem AK Biebelried und dem AK Fürth / Erlangen. Über 70 Kilometer Autobahn sollen dort über eine Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) und damit im Rahmen eines so genannten Verfügbarkeitsmodells (V-Modells) sechsstreifig ausgebaut und bis zum Jahr 2048 von einem privaten Auftragnehmer erhalten und betrieben werden. Das Besondere am V-Modell: Im Gegensatz zu den ersten A-Modellen, bei denen Auftragnehmer über die Weiterleitung der Mauteinnahmen auf den gebauten und betriebenen Strecken vergütet werden, ist bei V-Modellen die Verfügbarkeit der Strecke Basis für die Vergütung. Auf diese Weise wird für den Auftragnehmer ein Anreiz für eine qualitativ hochwertige Projektumsetzung über einen langen Zeitraum geschaffen. Denn der Auftragnehmer erhält das volle Entgelt immer nur dann, wenn die Autobahn, wie vertraglich vereinbart, ohne Fahrstreifenreduzierung für den Verkehr in vollem Umfang zur Verfügung steht.
Für dieses Autobahnprojekt der Superlative hat der Bundestag rund 2,4 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt eingestellt. Zu den mehr als 70 Kilometern Straßenausbau kommen an die 100 größere und kleinere Bauwerke in diesem Abschnitt hinzu. Darunter drei Großbrücken mit Stützweiten über 100 Meter und knapp 140.000 Quadratmeter Lärmschutzwände, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Erstes ÖPP-Projekt nach neuem Vergaberecht
Vielleicht die größte Besonderheit des ersten ÖPP-Projekts, das unter Regie der Autobahndirektion Nordbayern abgewickelt wird: Es handelt sich europaweit um das wohl erste ÖPP-Großprojekt, bei dem die Vorgaben des neuen Vergaberechts vom 18. April 2016 in vollem Umfang wirksam werden.
Im Oktober 2016 hat ein sogenanntes Interessensbekundungsverfahren begonnen, mit dem im Vorfeld über das Projekt informiert wurde. Interessierte Unternehmen haben seither die Möglichkeit, ihr Interesse zu bekunden, um so am weiteren Verfahren teilnehmen zu können. Die kompletten Vergabeunterlagen werden ab voraussichtlich März dieses Jahres elektronisch als Download auf der Vergabeplattform der bayerischen Staatsbauverwaltung unter www.meinauftrag.rib.de für die Firmen bereitgestellt, wenn die Interessenten, die neben der Bundesrepublik aus weiteren europäischen Ländern und sogar der ganzen Welt stammen können, zur Bestätigung ihres Interesses aufgefordert werden. Diese Unterlagen umfassen unter anderem zum Teil detaillierte Vorplanungen des Auftraggebers. In einem Zeitraum von 30 Tagen können diejenigen Firmen, die sich bewerben möchten, ihre Teilnahmeanträge abgeben. Sind diese geprüft, werden die ausgewählten geeigneten Unternehmen aufgefordert, bis Dezember dieses Jahres ein Erstangebot abzugeben. Aus diesen Erstangeboten wählt die Autobahndirektion anhand der kalkulierten Preise, der technischen Umsetzung sowie auf Basis des vorgeschlagenen Finanzierungsmodells der Bieter die beiden besten Kandidaten aus, mit denen anschließend Verhandlungen erfolgen. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die Verträge wirtschaftlich und technisch zu optimieren. Schließlich geben die beiden Finalisten ihre endgültigen Angebote ab. Einer davon erhält – Wirtschaftlichkeit des Angebots vorausgesetzt – den Zuschlag und es beginnt die sogenannte Financial-Close-Phase unter Einbindung der Kapitalgeber. Voraussichtlich acht Wochen später werden dann alle Verträge vollends geschlossen sein.
Start im Januar 2019
Den Baubeginn hat die Autobahndirektion für Januar 2019 angesetzt. Sämtliche Betriebsdienstleistungen auf der Strecke gehen am 1. Mai des Jahres 2019 von der Direktion an den Auftragnehmer über, der dann rund 30 Jahre lang eine sehr gute Qualität der Strecke inklusive aller Bauwerke sicherstellen soll.
Durchweg elektronische Projektkommunikation
Die vielleicht größte Veränderung, die das neue Vergaberecht mit sich bringt, betrifft die Projektkommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer: Diese soll im vorliegenden Projekt komplett auf elektronischem Wege erfolgen. Das heißt, sämtliche Angebote der interessierten Bieter sind elektronisch auf die Plattform www.vergabe.bayern.de hochzuladen. Es gibt im gesamten Verfahren keine konventionellen Angebote in Papierform mehr.
Neue Maßstäbe für die RIB-Plattform RIB eVergabe
Die Menge an Daten, die auf die Vergabeplattform der bayerischen Staatsbauverwaltung hochgeladen werden, sprengt jede bisher bekannte Dimension: Die Autobahndirektion Nordbayern rechnet mit bis zu 20.000 Dateien mit einem Datenvolumen von rund 60 Gigabyte. Das sind neue Maßstäbe für die elektronische Vergabeplattform, die technologisch auf der Plattform RIB eVergabe von RIB Software basiert. Gewöhnlich muss die e-Vergabe-Plattform bei größeren Projekten Dateien um die 200 Megabyte handeln können. Diese enorme Menge an Daten, die neue Vergabephase des Interessebekundungsverfahrens sowie die Datenstruktur, die Änderungen und deren Nachverfolgbarkeit bringen neue Herausforderungen für die Plattform mit sich. Parallel zum ÖPP-Großprojekt wird die Technologie der Vergabeplattform konsequent in mehreren Stufen weiterentwickelt. Als Entwicklungsbegleiter unterstützen neben den Kollegen aus dem Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin und des Gebäudemanagements Schleswig-Holstein (GMSH), die ebenfalls Plattformen auf Basis der RIB-iTWO-Technologie betreiben. Bauoberrätin Gisela Karl vom Bayerischen Innen- und Bauministerium erläutert die Zusammenarbeit mit der RIB Software AG: „Die Begleitung aus der Praxis ist das A und O für eine erfolgreiche Software unserer Branche. Ich sehe es als großes Plus für uns als Öffentliche Einrichtung, dass wir direkt in die Weiterentwicklung miteinbezogen werden. Das Miteinander ist stets sehr gut, mit RIB sowie auch mit den anderen beiden Entwicklungspartnern.“
Intelligentes Q & A
Die nächste Aufgabe für die Vergabeplattform besteht darin, die Fragen und Antworten der Bieter zu koordinieren. Bereits in der Interessenbekundungsphase sind circa 60 Fragen auf der Plattform eingegangen, die teils technisch sehr anspruchsvoll sind und sich auf kleinste Details des Projekts beziehen. Der Auftraggeber rechnet mit um die 1.000 Fragen, die beispielsweise Einzelheiten der Referenzplanung betreffen. Eine intelligente Suchfunktion, die alle beigefügten Anhänge miteinschließt, ist hierfür erforderlich.
Mehrfach wiederholtes Verfahren
Die vielleicht größte Herausforderung für die Software bringt die Verhandlungsphase mit sich, die im nächsten Jahr startet. Insbesondere die in dieser Phase wiederholte Einreichung von Angeboten ist ein Novum für die Software-Technik. Da die gesamte Projektkommunikation aufgrund der Neuerungen des Vergaberechts elektronisch erfolgt, wiederholt sich quasi das gesamte Verfahren inklusive Bieterfragen, Angeboten, Öffnung und Prüfung gleich mehrmals. Dabei müssen sämtliche Anpassungen stets nachvollziehbar, manipulationssicher und fortlaufend dokumentiert sein. Gisela Karl abschließend: „RIB unterstützt uns mit dem ersten „digitalen V-Modell“ dabei, ganz neue Wege im Autobahnbau und -betrieb sowie auch in der e-Vergabe zu beschreiten. Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit.“